Gazette Neue Musik in NRW - Ausgabe September 2017

Gewesen: Wandelweiser in Düsseldorf – Auftakt Ruhrtriennale

Angekündigt: Klavierfestival 'Tasten' bei ON – Kölner Musiknacht – Hörfest in Westfalen u.v.a.m.

 

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[Wandelweiser in Düsseldorf]

 

Wie in den Vorjahren lud Antoine Beuger im Sommer Musiker und Komponisten aus der ganzen Welt zum Düsseldorfer Klangraum, um gemeinsam die besondere Wandelweiser-Philosophie zum Leben zu erwecken. Im Juli und nun noch einmal im August traf man sich jeweils eine Woche lang und durch die von Wiederholungen geprägte Tagesstruktur entstand fast der Eindruck eines Exerzitiums. Dazu passte, dass man bereits beim Betreten des sonst leeren Kunstraums auf einen der Kaaba nachempfundenen schwarzen Kubus stieß. Doch das scheinbar Monolithische erwies sich als luftiges Gebilde, aus dessen Innerem bald darauf eine weibliche Stimme erklang, die Sufi-Texte aus dem 11. und 12.Jahrhundert rezitierte – mal klar und prägnant, mal in einen melodischen Singsang übergehend oder sich fast verflüchtigend. Für den des Arabischen unkundigen Hörer blieb der Inhalt verschlossen, wie auch die in goldenen Lettern aufgestickten Gedichte, die aus vorislamischer Zeit stammen. Damals diente die Kaaba den verschiedensten religiösen Strömungen als Heiligtum, sie wurde von den Dichtern besungen und deren schönste Texte zierten sie als the hanging poems. Auch Mohammed soll zunächst nicht durch rigorosen Wahrheitsanspruch oder kriegerischen Impetus sondern durch die Schönheit seiner Sprache beeindruckt haben, eine Tradition, die sich in den Versen der Sufis fortsetzt und hier von der Kairoer Künstlerin Rasha Ragab beschworen wird. Letztlich ist die Kaaba vor allem Projektionsfläche, monolithisch und transparent zugleich. So prallen Auge und Ohr auf die unverständlichen Zeichen und Laute und werden gleichzeitig umfangen und durchdrungen von der Schönheit der Klänge und Formen.

Auch Wagners Parsifal wirkt wie ein Monolith, an dem man sich die Zähne ausbeißen kann, er ist Inbegriff des Pathetischen und Prätentiösen, von dem Nietzsche sich nur glaubte befreien zu können, indem er ihn als „Werk der Tücke, der Rachsucht, der heimlichen Giftmischerei gegen die Voraussetzungen des Lebens“ entlarvte. Parsifal wirkt geradezu als Gegenbild zu allem, was den Wandelweisern heilig ist, aber gerade das hat den niederländischen Komponisten Jeromos Kamphuis offenbar herausgefordert, denn in reading parsifal liest er das Werk gewissermaßen gegen den Strich. Ausgangspunkt ist eine „Lesepartitur zum Lesen oder (auch) zum Spielen (für sich)“, in der er Originalzitate versammelt, die dem gängigen Wagnerklischee widersprechen. „Das Ganze mild gesungen.“, „wie ein kleiner Seufzer“, „bei aller Wärme ohne eigentliches Pathos singen“, „ganz ruhig, vornehm, ohne Akzent“ heißt es dort. Die konkrete Ausführung obliegt den Beteiligten und konnte aufgrund der täglichen Wiederholung in verschiedenen Varianten erlebt werden. Mal sitzen die Mitwirkenden wie die Gralsritter im Rund, mal im Raum verteilt, doch so oder so ist jeder sich selbst überlassen. Es entsteht ein diffuses Klangbild, oft an der Hörschwelle, kaum greifbar, Blätter rascheln, Murmeln und Summen erfüllt den Raum, manchmal glaubt man Parsifalanklänge zu erhaschen, doch alles bleibt suchend und tastend.

Neben diesen besonderen Exkursionen gab es natürlich vor allem Musik zu hören, Musik, der es bei aller Unterschiedlichkeit schon nach kurzer Zeit gelingt, jenen besonderen Wandelweisermodus zu erzeugen, der nicht nur die Ohren sondern auch die Poren öffnet und eine Wahrnehmungssensibilität und Durchlässigkeit ermöglicht, die wir uns im Alltag angesichts permanenter verbaler, visueller, akustischer und manchmal auch realer Überfallkommandos längst nicht mehr leisten können. Oft entsteht dabei eine geradezu traumwandlerische Atmosphäre, wie sie Eva-Maria Houben in geträumt bereits im Titel andeutet. Ein einfacher, sich wiederholender Ton der Flöte weitet sich zu einem Tonschritt, der vom 19-köpfigen Ensemble aufgegriffen wird, sich als ununterbrochener, manchmal anschwellender, manchmal fast verebbender Klangstrom fortsetzt und nach einer knappen Stunde in einem Wispern der Geige in höchster Lage ausläuft.

Einem besonderen Projekt haben sich Johnny Chang und Cat Lamb verschrieben. Sie erkunden das Leben und die Musik der mysteriösen (und wohl fiktiven) Viola Torros, die es immerhin schon zu einem Eintrag ins Wandelweiserkomponistenregister gebracht hat. Praktischerweise trägt sie das Instrument der beiden, die Viola, bereits im Namen und ihre spärlichen 'Hinterlassenschaften' bieten viel Interpretationsspielraum. Besonders Akkorde haben es ihr angetan und die entsprechenden Fragmente werden von Lamb und Chang als ununterbrochener Klangstrom von hoher Dichte und Intensität zum Leben erweckt.

Da alle Programmbestandteile täglich zu wechselnden Tageszeiten wiederholt wurden, konnte man die einzelnen Werke mehrfach auf sich wirken lassen und feine Unterschiede wahrnehmen, die teils der Ausführung, teils der eigenen Wahrnehmungsdisposition und Tagesform zuzuschreiben waren. Den Abschluss bildeten jeweils Burkhard Schlothauers events in five days, die natürlich überhaupt nichts Eventhaftes an sich hatten. Innerhalb eines vorgegebenen zeitlichen Rahmens erzeugen die Musiker fragile Klänge, die teilweise über tonloses Atmen und Rauschen nicht hinauskommen. Als besonders eindringlich erwies sich die von Christoph Nikolaus gespielte Steinharfe, ein mit mehreren tiefen Kerben versehener Granitblock, der mit feuchten Händen zum Schwingen gebracht wird und dabei einen intensiv pulsierenden Klang erzeugt.

Die Wandelweiserkonzerte sind, vor allem wenn sie sich über mehrere Tage erstrecken, eine wunderbare Gelegenheit, einen anderen Modus des Wahrnehmens und Erlebens zu erfahren und dabei gleichzeitig immer wieder neue Entdeckungen zu machen. Doch obwohl die Türen allen offen stehen (und außer einer kleinen Spende in den dezent am Rand stehenden Hut nichts erwartet wird), verirren sich nur selten Leute hierher, die nicht zum Inner Circle gehören. Die Beteiligten lassen sich davon nicht beirren, es ist nur schade für die, die draußen bleiben.

 

[Auftakt Ruhrtriennale]

 

Die letzte Ruhrtriennale unter der Intendanz von Johan Simons wurde mit Debussys einziger vollendeter Oper Pelléas et Mélisande eröffnet. 1902 uraufgeführt steht sie auch musikalisch zwischen den Welten, noch in vertrautem Klang schwelgend und doch voller Vorboten des Neuen. Inhaltlich basiert das Werk auf Maurice Maeterlincks gleichnamigem Drama, das dem Symbolismus zugerechnet wird. Als Gegenentwurf zum Verismus verweigert die Sprache jede Eindeutigkeit und leuchtet tief in die Abgründe der handelnden Personen. Das tut auch der polnische Regisseur Krzysztof Warlikowski, jedoch auf ganz andere Weise. Er inszeniert die Oper als Familiendrama zur Zeit seiner Entstehung mit Menschen von heute: Im Hintergrund umfängt eine weit ausladende Treppe die Bochumer Symphoniker unter der Leitung von Sylvain Cambreling, die so Teil des Geschehens werden, die hohe Holzvertäfelung am rechten Bühnenrand und das spärliche Mobiliar versetzen uns in eine entschlackte Villa Hügel. Doch von links schiebt sich eine andere Welt ins Bild, eine neonbeleuchtete Bar, in der das Drama seinen Lauf nimmt. Nicht im finsteren Wald sondern im anonymen Großstadtdschungel treffen Golaud (Leigh Melrose) und Mélisande (Barbara Hannigan) aufeinander, aber ihr gemeinsamer Weg führt nicht ins Offene sondern zurück in die Enge des großbürgerlichen Familienclans. Dort trifft Mélisande auf Golauds Halbbruder Pelléas (Phillip Addis), mit dem sie eine nur schwer fassbare Bindung eingeht. Diese wird oft als Gegenwelt gedeutet, als wortloses Einverständnis zweier Seelen, das sich gesellschaftlichen Konventionen widersetzt und nur in der Musik einen adäquaten Ausdruck findet. Doch bei Warlikowski gibt es kein wahres Leben im falschen, alle Figuren sind Gefangene ihrer Rollen, die sie bis zum übersteigerten Klischee ausfüllen (was sich zum Beispiel im omnipräsenten Zigarettenkonsum zeigt, der auch vor Golauds kleinem Sohn Yniold nicht Halt macht). Golaud gibt den Hipster mit geschniegeltem Bart, dessen angestaute Aggressionen jederzeit in konkrete Handgreiflichkeiten umschlagen können, Pelléas kommt verhuscht mit blondem Fusselhaar daher, ein bisschen der Szymczyk-Typ, bei dem man nie weiß, wo man dran ist, und Mélisande wechselt die Rollen wie die Kleider – mal Diva, mal Naive, mal verführerischer Vamp, mal anschmiegsam devot, mal demonstrativ gelangweilt, mal kokett unbeholfen. Sympathieträger sucht man vergeblich und auch die Wahrheit bleibt auf der Strecke, aber nicht weil sie so vielschichtig und unaussprechlich ist, sondern weil da nichts ist hinter den Masken. Schweigen würde nicht, wie von Maeterlinck gehofft „alle verborgenen Edelsteine ...und die schlummernden Wahrheiten jählings“ offenbaren, sondern im Gegenteil eine erschreckende Leere zu Tage fördern, die Pelléas womöglich beim Gang durch die Kellergewölbe ahnt (der ihn diesmal auf erhöhten Posten führt, wodurch ihm das ganze Grauen zu Füßen liegt). Die ältere Generation hat dem nur Haltung bewahrende Resignation (Sara Mingardo als Mutter Geneviève) oder Schönfärberei (Franz-Josef Selig als Großvater Arkel) entgegenzusetzen. Als zum Schluss (mit Mélisandes hier totgeborenem Kind) drei Leichen die Bühne pflastern, ergeht sich Arkel noch immer in Worten des Trostes und der Zuversicht. Der einzige gemeinsame Nenner ist das Ausblenden einer gesellschaftlichen Realität, die sich von links ins Bild schiebt. Das bei Maeterlinck/Debussy symbolisch aufgeladene Wasser präsentiert sich hier als lange Reihe banaler Waschbecken, der richtige Ort für einen Quickie, nächtigende Obdachlose und blutverschmierte Metzger vom Schlachthof, eine Welt, die zwar nicht wahrhaftiger aber zumindest unverstellter ist als der Rest. Warlikowski reizt dieses Spiel der Ernüchterung und Entzauberung bis an die Schmerzgrenze aus und schreckt auch nicht davor zurück, die Figuren der Lächerlichkeit preiszugeben – so zum Beispiel wenn Pelléas sich statt in Mélisandes Haar in einer Perücke verfängt. Die Sänger folgen ihm auf beeindruckende Weise, so dass sowohl stimmlich als auch schauspielerisch keine Wünsche offen bleiben. Lediglich Debussys Musik wagt einen Gegenentwurf, doch ihre Sehnsucht steht auf verlorenem Posten und gerade dieses harsche Aufeinandertreffen macht die Trostlosigkeit noch trostloser. Die Musik erzeugt durch ihre scheinbare Behutsamkeit eine Durchlässigkeit, die das von Warlikowski vorgeführte Elend um so wirksamer eindringen lässt. Die einst hoffnungsvolle Aufbruchsstimmung, die noch den Zauber des Morgen kannte, ist heute einer orientierungslosen Lethargie gewichen, keine Utopie nirgends.

 

Auch das Uraufführungsprojekt Kein Licht, dass kurz darauf in der Duisburger Gebläsehalle Premiere feierte, verkündet keine frohen Botschaften. Zugrunde liegen Texte, die Elfriede Jelinek 2011 angesichts des Supergaus von Fukushima sowie 2012 anlässlich des von Merkel verkündeten Atomausstiegs verfasste. In bewährter Jelinekmanier handelt es sich dabei nicht um ein bühnenfertiges Drama, sondern um wuchernde Textblöcke, die diesmal sogar bis kurz vor der Premiere weiter wucherten. Denn Trumps Amtsantritt konnte nicht unkommentiert bleiben und fand seinen Niederschlag in dem noch taufrischen Text Der Einzige, sein Eigentum (Hello darkness, my old friend). In Duisburg lag die Inszenierung in den bewährten Händen von Nicolas Stemann, der viel Jelinekerfahrung hat und die von ihr gewährten Freiheitsgrade lustvoll ausschöpft. Bei der Ruhrtriennale stand ihm nun erstmals mit Philippe Manoury ein zeitgenössischer Komponist zur Seite, der sich ebenfalls bereitwillig auf das work in progress-Konzept einließ. Statt einer in Stein gemeißelten Partitur lieferte Manoury flexibel einsetzbare Module und griff zudem mit live-elektronischen Mitteln unmittelbar in das Geschehen ein. Im Mittelpunkt der Aufführung stehen zwei Personen A und B (Caroline Peters und Niels Bormann), die ihre Identität nicht preisgeben. Sind es Überlebende der Katastrophe, vielleicht sogar Musiker oder einfach Elementarteilchen? Sie hören einander nicht, wollen auch nichts hören, sondern lieber übertönt werden. Im Laufe des Abends schlüpfen sie in die verschiedensten Rollen und Kostüme, mal schicke Abendrobe, mal quietschbuntes Kinderstundenoutfit, spielen sich immer mehr in Fahrt und schrecken auch vor gewagtem Körpereinsatz nicht zurück – so zum Beispiel wenn sie eingekeilt in übergroße Plastikbälle als Elementarteilchen über die Bühne taumeln. Jelinek liebt Kalauer („Kalauer sind die Augenblicke der Wahrheit. Wenn man lange genug auf die Sprache einprügelt, gibt sie, manchmal widerwillig, aber doch, ihre eigene Wahrheit preis.“) und Stemann folgt ihr, indem er ganz nach dem Motto „Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst:“ ein Feuerwerk nach dem anderen zündet. Giftig leuchtende Behälter ergießen ihren Inhalt über die Bühne und bieten mit ihren Wassermassen die perfekte Selfiekulisse, der nicht gerade energieeffiziente inszenatorische Overkill verursacht einen Stromausfall mit anschließender Kerzenromantik, Atomi präsentiert sich als neckische Handpuppe und begehrt als Großprojektion von allen Seiten Einlass, nachdem man ihn in einem Kindersarg zu Grabe getragen hat („ab in die Kiste, es ist fünf vor zwölf“), und am Ende katapultieren sich die Protagonisten kurzerhand ins Weltall und überlassen die lädierte Mutter Erde ihrem Verhängnis. Trotz allem artet das Ganze nicht in oberflächlichen Klamauk aus, wie die Giftbrühe aus den Containern suppt das Grauen durch alle Ritzen. Niemand kommt ungeschoren davon und überall lauern Fallstricke und Paradoxien. Der Atomausstieg beschert uns durch den verstärkten Rückgriff auf fossile Energien einen verstärkten CO2-Ausstoß und der kleine Hund Cheeky erhebt die Stimme der Natur, doch nur dank perfekter Dressur durch seine Trainerin Karina Laproye. Philippe Manoury greift musikalisch ebenfalls in die Vollen. Cheekys Jaulen wird elektronisch vervielfältigt und verfremdet in den Raum projiziert, aus den Lautsprechern blubbert und ploppt es, elegische Geigensoli stehen neben turbulent verknäulten Klangwogen, realisiert von den im Bühnenhintergrund platzierten United Instruments of Lucilin unter der Leitung von Julien Leroy. Eine besonders gute Figur – nicht nur stimmlich – machen die Mitglieder des Vokalquartett Croatian National Theater Zagreb, die sich sehr präsent ins Geschehen einmischen. Gelegentlich hätte ich mir die Musik allerdings etwas spritziger gewünscht. Manch gefühlvollem Lamento haftet zu viel Ernsthaftigkeit an. Dazu passt, dass Manoury an zwei Stellen selbst eingreift, um seinen Ansatz wie im Volkshochschulkurs zu erläutern. Auch Nietzsches 'O Mensch gib Acht' kommt am Ende etwas zu bedeutungsvoll daher, doch Schwung und Tempo der Inszenierung werden letztlich auch damit fertig.

 

Genussvoll zurücklehnen konnte man sich bei Memoria, einem Konzert von ChorWerk Ruhr. Der musikalische Leiter Florian Helgath hatte ein stimmiges Programm aus zeitgenössischer und Renaissancemusik zusammengestellt und die imposante Maschinenhalle der für ihr Jugendstilportal bekannten Dortmunder Zeche Zollern trug sowohl optisch als auch akustisch zur besonderen Atmosphäre des Abends bei. Nach Tomás Luis de Victorias Officium Defunctorum, einem Requiem, das anlässlich der Beerdigung von Kaiserin Maria, der Witwe Kaiser Maximilians II, zur Aufführung kam, erklangen Werke von Cage und Feldman. Besonders eindringlich geriet Feldmans Rothko Chapel, ein Werk, das er zur Einweihung der gleichnamigen Kapelle mit großformatigen Bildern des Künstlerfreundes im texanischen Houston komponierte. Der von Viola, Celesta und Schlagzeug begleitete Chor singt teilweise so verhalten, dass die Musik sich wie ein luftiges, kaum spürbares Tuch über die Zuhörer legt. Wenn die Viola (Axel Porath) zum Schluss eine „quasi hebräische Melodie“ anstimmt, während Dirk Rothbrust mit seinen Schlägeln das Vibraphon kaum zu berühren scheint, entsteht ein besonders intensiver Moment. Die Viola wirkt ganz nah und doch unerreichbar, wie Rothko, der sich noch vor Einweihung der Kapelle das Leben genommen hatte. Für Cages Four² verteilte Helgarth seine Sänger im Publikum und erzeugte so eine mit Nähe und Ferne spielende Raumwirkung. Dieser Aspekt macht auch den besonderen Reiz von Allegris mehrchörigem Miserere aus, das als Zugabe den Abend wirkungsvoll ausklingen ließ.

 

[Termine im September]

 

Köln

 

In der Philharmonie stehen ein Mix aus alter Musik und neuer elektronischer Musik mit dem Organisten James McVinnie am 2.9., Werke von Luca Francesconi am 3.9., von Thomas Adès am 8.9., von Kalevi Aho mit Martin Grubinger am 15. und 16.9., von Morris Kliphuis (UA) am 17.9., von György Ligeti am 20.9. und ein Lesungskonzert mit Marcel Beyer und dem Ensemble Modern am 22.9. auf dem Programm. Nach einem Lunchkonzert am 2.9. mit dem Essener Ensemble S201 und den monatlichen Orgelimprovisationen am 3.9. stimmt sich die Kunststation Sankt Peter am 9.9., 16.9., 23.9. und 30.9. mit weiteren Lunchkonzerten auf das Festival Orgelmixturen ein, das im Oktober richtig Fahrt aufnimmt. ON – Neue Musik Köln veranstaltet vom 1. bis 3.9. das neue Klavierfestival 'Taste', bei dem das Klavier unpräpariert und ganz ohne Zusätze zum Einsatz kommt. Außerdem bieten die Guitar Thursdays am 14.9. und 28.9. neue Gitarrenmusik und ein Stimm-Workshop am 22.9. widmet sich dem Phänomen 'Voice and Space'. Die reiheM lädt das Jon Gibson Ensemble und M. Geddes Gengras am 5.9. in den Stadtgarten. Dort wird außerdem die neue Konzertsaison am 3.9. mit einem Klavierkonzert bei freiem Eintritt eröffnet und am 13.9. die Reihe 'Impakt : Kontrast' mit improvisierter und aktueller Musik fortgesetzt. Eine weitere Ausgabe der reiheM bringt am 14.9. das Trio Baleine 3000 und den Antwerpener Roman Hiele in die Boulehalle. Frischzelle, das Festival für Intermediale Performance, gastiert – nach einem Abstecher nach Düsseldorf am 22.9. – am 23.9. mit chilenischer Unterstützung in der Kunsthochschule für Medien und die Hochschule für Musik und Tanz präsentiert als Abschluss eines Workshops am 29.9. im Literaturhaus neue Lieder unter dem Motto 'Wort trifft Ton'. Beim nächsten 'Musik der Zeit'-Konzert des WDR am 23.9. erklingt unter dem Motto 'Stille und Umkehr' Musik von B.A. Zimmermann und Christophe Bertrand sowie Erik Saties Werk Uspud neu transkribiert für Kammerorchester von Johannes Schöllhorn und die Musikfabrik lädt am 25.9. zum nächsten Montagskonzert. InterZone Perceptible bringt am 24.9. in der Alten Feuerwache Hans-Joachim Hespos Kaleidoskopes Luftsilber zur Aufführung und am 8.9. ist Markus Stockhausen mit Moving Sounds in Sankt Maternus zu erleben.

Am 30.9. findet die nächste Kölner Musiknacht statt, die diesmal reduziert ausfällt. Die Veranstalter haben sich nämlich entschlossen, auf die übliche Selbstausbeutung zu verzichten und zumindest einigermaßen angemessene Honorare zu zahlen. Bei gleichem Budget verringert sich dadurch zwangsläufig das Angebot.

Weitere Termine wie üblich bei kgnm und musik-in-koeln.de und natürlich gibt es auch noch das Loft mit einem Spätsommerfestival am 2. und 3.9., den Soundtrips NRW am 5.9., dem Auftakt einer neuen Trio Reihe am 27.9. und vielem mehr.

 

Ruhrgebiet

 

Bei der Ruhrtriennale stehen im September Homo Instrumentalis mit Musik von Luigi Nono, Georges Aperghis und Yannis Kyriakides, Cosmopolis als Inszenierung von Johan Simons und Monophonie mit der Musikfabrik und Musik von Harry Partch, Phillip Sollmann, Simon Steen-Andersen und Helge Sten auf dem Programm.

 

Im Dortmunder Künstlerhaus wird am 2.9. die Ausstellung blind spot eröffnet, in deren Fokus Klanginstallationen stehen und die von diversen Veranstaltungen begleitet wird. Am 19.9. ist das E-Mex-Ensemble im domicil zu Gast und das Konzerthaus kündigt Werke von Kaija Saariaho und Daníel Bjarnason am 23.9. sowie ein Konzert für Mundorgel und Maultrommel am 27.9. an. Vom 14. bis 17.9. findet die chor.com statt, bei der man u.a. dem ChorWerk Ruhr mit Adameks Steinar am 14.9. oder dem Klang der Demokratie am 15.9. lauschen kann.

 

Im Duisburger Earport wird am 15.9. die Ausstellung An die Nacht von Kunsu Shim mit einem Performancekonzert beendet und am 22.9. spielt das Ensemble Crush zur Vernissage der nächsten Ausstellung (mit Werken von Peter Androsch).

 

Die Essener Jazz Offensive veranstaltet am 7., 14. und 21.7. Sessions in der Lichtburg an.

 

Düsseldorf

 

Am 2.9. wird die Performance Metropolitan I von Christian Banasik im U-Bahnhof Benratherstraße uraufgeführt. Mit dabei ist die Sopranistin Irene Kurka, die außerdem am 3.9. im Rahmen eines Gottesdienstes in St. Franziskus-Xaverius zusammen mit dem Organisten Odilo Klasen Musik von Dominik Susteck zur Aufführung bringt.

Das Notabu-Ensemble widmet sich in der Reihe 'Na hör'n Sie mal..!' am 13.9. in der Tonhalle dem italienischen Komponisten Stefano Gervasoni und der nächste Salon Neue Musik findet am 15.9. im Klangraum 61 statt. Am 23. und 24.9. sind Gerhard Stäbler und Kunsu Shim gemeinsam mit Alwynne Pritchard und dem norwegischen Ensemble BIT20 in der Kunsthalle mit einem Performancekonzert zu erleben. Im Rahmen des Düsseldorf Festivals steht am 16.9. Markus Stockhausen mit Freunden auf der Bühne und am 22.9. ist die Frischzelle rund um Matthias Muche und Sven Hahne zu Gast – diesmal mit Unterstützung aus Chile.

 

Sonstwo

 

Beim nächsten Soundtrips NRW trifft Steve Beresford vom 1. bis 8.9. in Duisburg, Bochum, Münster, Köln, Düsseldorf, Wuppertal und Bielefeld auf wechselnde Mitstreiter und bereits am 30.9. geht es mit dem Duo Sebi Tramontana und Frank Gratkowski auf zur nächsten Soundtrip-Runde.

 

Die Aachener Gesellschaft für zeitgenössische Musik befasst sich in der Reihe 'Hören und Sprechen über neue Musik' am 1.9. mit wichtigen Neuerscheinungen neuer populärer Musik und hat am 9.9. die Jazzband P.U.L.S.E. zu Gast.

 

Beim nächsten Jour fixe der Bielefelder cooperativa neue musik befasst sich Christof Pülsch mit zeitgenössischer Kirchenmusik.

 

Theodore Anzelotti ist beim nächsten Bonner Wortklangraum am 6.9. mit seinem Akkordeon dabei. Bonnhoeren eröffnet am 22.9. eine Ausstellung mit den Preisträgern des Studentenwettbewerbs Sonotopia und am 23.9. folgen eine Radioperformance und ein Künstlergespräch. Beim Beethovenfest stehen u.a. Werke von Vladimir Tarnopolski am 10.9., von Boris Lyatoshinsky und Stefan Hippe am 14.9., von Márton Illés am 22.9., von Frank Zabel ebenfalls am 22.9., von Robert HP Platz am 23.9. und von Luigi Nono am 24.9. auf dem Programm. Außerdem stellt das Ensemble S21 am 21.9. studentische Paraphrasen auf Franz Liszts Liebesträume vor und am 28.9. ist eine Choreographie zu Xenakis' Pléiades zu erleben.

 

Das 8. Hörfest der Initiative Neue Musik in Ostwestfalen-Lippe findet vom 29.9. bis 3.10. in Detmold statt und bereits am 10.9. gibt es zur Einstimmung eine Prologveranstaltung. Das Ensemble Horizonte ist gleich mehrfach vertreten, außerdem stellt es am 22.9. in der Mindener Marienkirche neue Musik über Vogelstimmen vor.

 

Das E-Mex-Ensemble ist am 8.9. mit dem Programm Stimme plus ... im Museum Goch zu Gast.

 

Das Krefelder Theater am Marienplatz TAM widmet die nächste Spielzeit Mauricio Kagel. Im September kommen Ausschnitte aus Staatstheater zur Aufführung.
Im Rahmen des Krefelder Figurentheaterfestivals für Erwachsene sorgt das Kölner Ensemble m-cine am 16.9. in der Fabrik Heeder für die musikalische Untermalung des Stummfilms Die Puppe.

 

Auf Einladung von Bayer Kultur interpretiert der Cellist Steven Isserlis am 26.9. in Leverkusen Ausschnitte aus György Kurtágs Die Sprüche des Péter Bornemisza op. 7.

 

Am 8.9. gestaltet das ART Ensemble NRW das nächste Werkstattkonzert in Mönchengladbach, das gleichzeitig Initialkonzert zum Educationprojekt Babylon ist.

 

Die Musikhochschule Münster veranstaltet ein Wochenende für Gitarre, bei dem am 30.9. und 1.10. auch neue Musik für Gitarre aus Osteuropa gespielt wird.

 

Im Wuppertaler ort macht am 7.9. Steve Beresford mit den Soundtrips NRW Station, am 10.9. erklingen isländische Lieder in neuer Interpretation und am 13.9. wird Pascal Niggenkemper als neuer Artist in Residence begrüßt Weitere Jazztermine finden sich bei Jazzage. Im Opernhaus wird nach Querverbindungen zwischen Heiner Goebbels' Surrogate Cities und Wagners Götterdämmerung gefahndet. Premiere ist am 16.9.

 

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