Die 69. Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen haben für ihre fünf Wettbewerbe insgesamt 120 kurze Arbeiten ausgewählt. Die Auseinandersetzung mit politischen Themen zieht sich dabei durch alle Wettbewerbe: Die Filme greifen den Ukrainekrieg oder die Proteste im Iran ebenso auf wie die Auseinandersetzung mit Trans-Identitäten, das Verhältnis zwischen Mensch und Tier, die Kämpfe indigener Gemeinschaften oder den Raubbau an der Natur, vom Tagebau Garzweiler bis zur Zerstörung der Weltmeere. Dabei zeigen die formalen Ansätze, wie breitgefächert heute im Format Kurzfilm gearbeitet wird. Sie reichen von der Nutzung künstlicher Intelligenz über traditionelle Dokumentationen oder Spielfilme bis zu Sound-Installationen, Performance- oder Found Footage-Arbeiten.
Ukraine, Iran, Türkei: Politische Themen und Medienkritik
Sowohl im Internationalen als auch im Deutschen Wettbewerb beweisen herausragende Produktionen zu aktuellen politischen Konflikten, dass der Kurzfilm wie keine andere Gattung geeignet ist, Themen zuzuspitzen und den Zuschauern nahezubringen. Der ukrainische Regisseur Oleksiy Radynski kombiniert in seiner gespenstischen Dokumentation Chornobyl 22 Bilder russischer Militärkonvois mit Aufnahmen des verseuchten Sperrgebiets und lässt Einheimische darüber spekulieren, ob die „Gäste“ überhaupt wussten, dass sie eine Todeszone erobern. Ana Bilankov dagegen nutzt einen historischen Exkurs, um in ihrer kroatischen Produktion Dohvatiti sunce: El Shatt (Chasing the Sun: El Shatt) auf vielschichtige Art das Thema Flucht aufzugreifen. Sie porträtiert das Flüchtlingscamp El Shatt auf der Halbinsel Sinai, das während des 2. Weltkriegs vor allem kroatischen Flüchtlingen eine temporäre Zuflucht bot. Im Deutschen Wettbewerb montiert Narges Kalhor in Sensitive Content Aufnahmen der Proteste im Iran zu einer Anklage gegen die staatliche Gewalt, die umso eindringlicher wirkt, als sie fast nie zu sehen ist.
Als Komödie inszenieren Zeynep Tuna und Nino Klingler ihre Kritik an der Zensur in der Türkei in KANAL 82 – Pazar Sabah Kusagi (KANAL 82 – Sunday Morning Programme) und lassen im Kinderprogramm eines winzigen Lokalsenders plötzlich höchst merkwürdige Dinge geschehen. Auch Eva Egermann und Cordula Thym nehmen in der österreichischen Produktion C-TV (Wenn ich Dir sage, ich habe Dich gern...) mit Hilfe einer satirischen Talkshow eine nicht-inklusive und behindertenfeindliche Medienwelt aufs Korn.
Künstliche Intelligenz als Werkzeug
Künstliche Intelligenz ist im Kurzfilm angekommen. So hat die kasachische Künstlerin Almagul Menlibayeva in AI Realism. Qantar 2022 Aussagen von Menschen, die während der Proteste in Kasachstan 2022 verfolgt und misshandelt wurden, durch Künstliche Intelligenz bebildern lassen. Arno Coenen und Rodger Werkhoven lassen in Let’s Be Friends synthetische Akteure über KI-Schauspielerei und die Ängste realer Schauspieler*innen vor den Auswirkungen von KI sprechen. Auch im Kinder- und Jugendfilmwettbewerb läuft mit der französischen Produktion PLSTC von Laen Sanchez eine KI-generierte Science Fiction-Dystopie, die uns mit der Zerstörung der Weltmeere konfrontiert.
Kunstkontexte: Die Grenzen zwischen Museum und Leinwand sind durchlässig
Zahlreiche Künstler*innen wechseln zwischen Museum und Kino. So wurde Turner-Preisträgerin Laure Prouvostmit ihrer neuesten Arbeit Every Sunday, Grand Ma für den Internationalen Wettbewerb ausgewählt. Der chinesische Künstler Sun Xu hat in Shang Hai Zhi Chun(Shanghai in Spring) seine Erfahrungen mit dem Lockdown verarbeitet, der ihn mitten in den Vorbereitungen zu einer Ausstellung in Shanghai traf. RESOLUTION von Bjørn Melhus sowie Marianna Simnetts Auskoppelung aus einer bei der Biennale Venedig gezeigten Installation, The Severed Tail, wurden für den Deutschen Wettbewerb ausgewählt, in dem auch Jeanne Faust mit ihrer neuen Arbeit trovare sowie Gernot Wieland mit Turtleneck Phantasies vertreten sind. Mit Gernot Wieland und Sophia Groening (Frau Michels dreht die Zeit zurück) zeigen zudem zwei Gewinner*innen des Deutschen Kurzfilmpreises 2022 ihre neuen Arbeiten im Deutschen Wettbewerb.
Fakten
Im Internationalen Wettbewerb, dem größten und ältesten der Kurzfilmtage, werden 48 Beiträge gezeigt, im Deutschen Wettbewerb 17 Filme. Für den NRW-Wettbewerb wurden acht Arbeiten ausgewählt, für den Kinder- und Jugendfilmwettbewerb 36. Für den 25. MuVi-Preis für das beste deutsche Musikvideo schließlich sind 12 aktuelle Clips nominiert. Mit 53 Weltpremieren zeigen die Kurzfilmtage knapp die Hälfte der Beiträge erstmals auf einem Filmfestival. Insgesamt vergibt das Festival Preise in Höhe von über 43.000 Euro. Die Preisverleihung findet am Montag, 1. Mai 2023, im Lichtburg Filmpalast Oberhausen statt.
Termine:
Internationaler Wettbewerb: 27. – 30. April
Deutscher Wettbewerb: 29. und 30. April
NRW-Wettbewerb: 28. und 29. April
Kinder- und Jugendfilmwettbewerb: 26. April – 1. Mai
MuVi-Preis: 29. April
Liste aller Wettbewerbsfilme:
https://www.kurzfilmtage.de/de/festival/wettbewerbe/#t1761
Akkreditierungsschluss 17. April
https://www.kurzfilmtage.de/de/besuch/#c3193
Oberhausen, 17. März 2023
Pressekontakt: Sabine Niewalda, T +49 (0)208 825-3073, niewalda@kurzfilmtage.de
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